Inhalt:
In dem Roman Jugendliebe deckt Eßer Bewußtseinszustände und Gefühlslagen der siebziger Jahre auf. Im Handlungsmittelpunkt steht einer, der den Zerfall der achtundsechziger Bewegung nicht hinnimmt, der nicht bereit ist, in die private Idylle oder den Terrorismus zu flüchten, einer, der den Kampf fortsetzen will gegen die Gleichschaltung der Jugend zu pflegeleichten Konsumidioten, gegen die Schablonisierung von Denken und Leben in einer industriell gesteuerten Vergnügungsdiktatur. Hannes schart eine ganz einmalige Kollektion von Wahnsinnstypen um sich und knüpft da an, wo die Jugend schon immer in Bewegung war: auf der Burg Waldeck, Heimat der alten Wandervögel und klassisches Spinnerreservat, seit je Sitz der Anti-Spießer-Guerilla. Aber gerade diese Bindung erweist sich als konfliktträchtig - ebenso wie die an seine junge Mitstreiterin Kattrin -, und er muß schließlich einen hohen Preise zahlen.
Zwischen Walsers Bewußtseinsstrudeln und Marquez' Anekdotensammlungen schien es lange nichts zu geben. Nun wirft Eßer eine lebenspralle Erzählung auf den Markt, die einerseits durch ihren ganz vertrauten Hintergrund (?Heimat? Hunsrück) Deftigkeit und Farbe erhält, in der andererseits viel nachgedacht und diskutiert wird. Die Reflektion erstickt jedoch das Leben nicht, und so entstand ein Buch mit Witz und Herz und viel Sinn für komische Details, in kräftigen Strichen entworfen, geschliffen und bissig und manchmal ein bißchen traurig.
Informationen:
Jugendliebe. Ein Männerroman.
edition Fischer, Frankfurt/M. 1990.
348 S.
ISBN: 3894062193
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Presse:
Westdeutsche Zeitung 6.12.90
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Prall geht es zu im klassischen Spinnerreservat der Spießerfeinde, in das sich Hannes, der letzte 68'er, absetzt. Burg Waldeck im Hunsrück ist wie kaum ein anderer Ort für bissigen Ideenstreit, aber auch für derbe Possen und weinbefeuerte Exzesse jeder Art geeignet. Seit je galt die Liederburg als Experimentierfeld für die verschiedensten Formen menschlichen Zusammen- bzw. Alleinlebens. In einer Mischung aus Zeitgeschichte, farbigem Alltag, Sexualität, Alkoholkult, Lebensfreude und subversivem Bewußtsein, gespickt mit satirischen Seitenhieben auf zeitgenössisches Glück im Winkel, doch ohne vordergründige politische Botschaft und ohne durch Formexperimente unlesbar gemachte sprachliche Verpackung wird hier eine Kunst ausgeübt, die der europäische Leser mittlerweile in Südamerika su-chen muß: es wird erzählt. Sicher wird auch ü b e r das Leben nachgedacht und heftig diskutiert, doch in erster Linie wird a u s dem Leben erzählt. Die anekdotischen Einlagen aus dem Hunsrück-Milieu, vielen Lesern, die auch fernsehen, als "Heimat" vertraut, sowie die in kräftigen Strichen gehaltenen Exkurse in gern verdrängte Regionen unseres Selbst erinnern an Márquez und seinen Sinn für deftige, vor allem komische Details. Die Prosa des Romans wirkt geschliffen, bündig und eingängig, eine intelligente Schreibe von neuem Schrot und Korn, gleich weit entfernt von den eitlen Sprachspielereien des modischen Kulturbetriebes wie von den langweiligen Selbstbespiegelungen der endlich abebbenden deutschen Weinerlichkeit. Der Roman kann als Künstlerroman oder Heimatroman, als Männerroman, Liebesroman, Emanzipationsroman oder politischer Roman gelesen werden. Trotzdem entsteht an keiner Stelle der Eindruck der Motivüberfrachtung. Der Wechsel im Stofflichen, die vielfach verschränkte Sicht auf das Geschehen, die gattungsmäßige Entgrenzung, überhaupt der Reichtum der Darstellungsformen, zielen nicht auf Experiment und Effekt, sondern ergeben sich ganz natürlich aus der Anlage der Handlung und den Besonderheiten des Schauplatzes, der zugleich realer Ort, Mythos und Utopie ist.