Inhalt:

Es geht um die Frage, ob ein Kind, welches seine Sozialisation weitgehend durch ein sprachliches Medium leisten muss, das von wesentlichen Sektoren seiner gesellschaftlichen Umgebung diskriminiert wird, die für die Vertretung seiner Interessen nötige Ich-Stärke entwickeln kann.  Kann es ein positives Selbst- und Weltbild entwickeln? Was widerfährt seinem Selbstverständnis bei einem forcierten Wechsel vom Dialekt zur  Hochsprache, einem Wechsel von zwei Varietäten also, die beide als schichtspezifische Sozialsymbole fungieren und einen wichtigen Faktor  der Identitätsbildung repräsentieren?

Aus dem Inhalt: U.a. Der Zusammenhang zwischen Sprachherkunft, sprachlichem Selbstverständnis und Persönlichkeitsentwicklung / Forderungen an einen dialektorientierten Sprachunterricht.


Informationen:

Dialekt und Identität. Diglottale Sozialisation und Identitätsbildung

Europäische Hochschulschriften: Reihe 11, Pädagogik. Bd. 138

Peter Lang Verlag, Frankfurt/ M., Bern, 1982

260 S.  ISBN 978-3-8204-5832-9

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Paul Eßer über seine Dissertation:

Es geht in dieser Untersuchung um eine Gruppe von Kindern, die aus verschiedenen Gründen benachteiligt sind. Meistens gehören sie der Unterschicht an und wohnen in den ärmeren Stadtvierteln oder in ländlichen Gebieten. Auf dem Gymnasium trifft man sie seltener als andere Kinder. Unter anderem erkennt man sie an ihrer Sprache: Sie sprechen Dialekt. Wenn sie nicht Dialekt sprechen, benutzen sie ein nicht sehr gepflegt klingendes Hochdeutsch.

Warum kommen diese Kinder nicht so recht voran in der Schule und im Leben? Weil sie Dialekt sprechen oder weil sie arm sind oder weil sie kein Selbstbewußtsein haben? Oder hängen diese Gegebenheiten vielleicht so eng zusammen, daß sie die Entwicklung der betroffenen Kinder gemeinsam und in gleicher Weise nachteilig beeinflussen?

Ich bin auch Dialektsprecher, aber meine Eltern haben mich auf ein Gymnasium geschickt. Ich bin nicht Bauarbeiter geworden, wie manche meiner Spielkameraden, sondern Lehrer. In meiner Jugend habe ich viele Jahre lang mit Dialektsprechern gelebt und gearbeitet: am Fließband, in der Landwirtschaft, im Straßenbau. Oft habe ich mit ihnen in unserer Sprache über unsere Sprache gesprochen. Vieles konnten wir nicht verstehen, vor allem nicht, daß die Leute, die Hochdeutsch sprachen, den Dialekt verachteten und ihn allenfalls benutzten, wenn sie Witze erzählten oder betrunken waren.

Jetzt habe ich die Dialektsprecher systematisch zu ihrer Sprache befragt und systematisch über ihre Probleme nachgedacht. Die Ergebnisse möchte ich in der folgenden Studie mitteilen.


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